Handbuch 2021

70 Batterien Lithium-Ionen-Batterien Die Elektronik in der Batterie Das BMS überwacht und steuert aber nicht nur die einzelnen Zellen, es ist auch zustän- dig für das Abschalten der Batterie, bevor diese von den angeschlossenen Verbrau- chern zu tief entladen wird. Auch vor Über- spannung gilt es zu schützen, ebenso muss das BMS einschreiten, wenn die Batterietem- peratur zu weit ansteigt oder die Batterie kurzgeschlossen wird. In wie weit dies alles zuverlässig ausgeführt wird ist schwierig zu sagen, da viele Hersteller LiFePO4-Batterien für den Massenmarkt herstellen. In erster Linie gehen diese an bereits erwähnte Golfcarts und wurden auch für diese entwickelt. Im besten Fall wurde von den Herstellern das BMS etwas modifiziert und für höhere Leistungen ausgelegt. Ganz selten hat man aber daran gedacht auch den Pluspol auf die richtige Seite zu verlegen. Wer seine Gel oder AGM-Batterie austauschen will (Pluspol rechts) wird oft feststellen, dass die Kabel zu kurz sind, da man versäumt hat die Batteriepole oder Verschraubungen nach europäischen Maß- stäben auf der richtigen Seite zu platzieren. Die echten Vorteile Immer wieder ist zu lesen welche Vorzüge LiFePO4 Batterien haben. Leistungsdichte, Gewicht, Lebensdauer sind die gängigen und immer wieder genannten Argumente. Ein ganz wichtiges – bzw. das eigentlich wich- tigste – Argument wird selten genannt und hier wird klar, dass viele Hersteller den Ein- satzbereich und somit die Problematik von Batterien in Reisefahrzeugen überhaupt nicht überblicken. Für LiFePO4-Batterien ist das Problem der Sulfatierung nicht existent. Während herkömmliche Batterien in teilgela- denem Zustand stetig an Speicherkapazität durch Sulfatierung verlieren, ist dies für LiFePO4 kein Thema. Auch eine regelmäßige Vollladung ist nicht nötig, was normale AGM oder Gel-Batterien mit sehr frühem Ausfall quittieren. Schnelle Ladung Oft als Vorteil aufgeführt wird auch, dass LiFePO4-Batterien schnell aufzuladen sind. Abgesehen davon, dass eine Ladung mit ho- hemStrom, ebenso wie eine hohe Entladung, der Lebensdauer keines Batterietyps zuträg- lich ist, steht für eine Schnellladung imReise- mobil die Infrastruktur auch nicht zur Verfü- gung. Im Ansatz stimmt die Aussage aber doch, man muss es nur anders betrachten. Ladegeräte von herkömmlichen Gel- oder AGM-Batterien müssen relativ früh die Lade- leistung reduzieren und taumeln dann über Stunden der Vollladung entgegen. LiFePO4- Batterien können dagegen den vollen Strom bis zur Vollladung aufnehmen. Somit sind diese Batterien einfach schneller vollgeladen und dann stimmt die Aussage der „schnelle- ren Ladung“ im Grunde doch. Die richtige Infrastruktur Es hat sich herum gesprochen, dass Bord- batterien immer mit der jeweiligen, für den Batterietyp festgelegten, Kennlinie geladen werden sollten. Diese sind üblicherweise im Ladegerät hinterlegt und bei Einbau wird dann die passende Kennlinie aktiviert. Bei Standard-Säurebatterien in Flüssig, Gel oder AGM-Ausführung wird die Vollladung – ab- hängig von der Temperatur – erst nach meh- reren Stunden erreicht (Absorptionsphase), da diese Batterietypen ab einem bestimmten Ladezustand nicht mehr mit dem vollen Strom bis zur Vollladung beaufschlagt wer- den dürfen. Zuerst wird also mit vollem Strom geladen, um dann mit hoher Span- nung, aber reduziertemStrom, die Vollladung irgendwann zu erreichen. Bei Gel-Batterien dauert diese Absorptionsphase bis zu 16 Aufbau und Funktion Äußerlich unterscheidet sich eine LiFePO4- Batterie nicht von einer handelsüblichen AGModer Gel-Batterie. Im Innenraum sieht es aber ganz anders aus. Je nach Hersteller sind einzelne Zellen verbaut, die es in unterschied- lichen Bauformen gibt. Konzipiert als Flach- oder als Rundzelle werden diese je nach Spannungslage verschaltet, um dann parallel zusammengeführt, die gemeinsame Aus- gangsspannung zu generieren. Überwacht wird das ganze mit einer Überwachungs- und Steuerelektronik kurz BMS genannt. Dieses Kürzel steht für „BatterieManagement System“ und ist zumeist im Batteriegehäuse mit integriert. Das BMS ist auch das Herz- stück des ganzen Systems, da es so ziemlich alles überwacht, ausgleicht und steuert. Wer sich die Platine des BMS ansieht wird ver- wundert sein wie viel Elektronik bereits nötig ist, selbst wenn die Batterie nur ein Golfcart mit kleiner Leistung versorgt. Bei dem BMS muss auch mit höchster Sorgfalt und Präzision gearbeitet werden, da der Ausfall eines noch so kleinen Bauteils den sofortigen Ausfall der kompletten Bordbatterie nach sich zieht. Bei den von uns entwickelten LiFePO4-Batterien kann die BMS zusätzlich von außen angesteuert werden. Somit kön- nen sie optimal auf die Bedürfnisse imReise- fahrzeug reagieren und im System der „PowerUnit“ (s.Seite 76/77) auf jede Lade- situation angepasst werden. T E C H N I K - I N F O Gibt es Unterschiede bei LiFePO 4 -Batterien ■ Es verhält sich ein wenig wie in der Solartechnik. Alle Solarmodule sehen irgendwie gleich aus und Stromwird auch produziert. Ob aber alles sinnvoll ist was am Markt angeboten wird und für das Reisefahrzeug tauglich, wird erst klar, wenn man sich näher mit dem Thema beschäftigt. So ist es auch bei LiFePO4-Batterien. Auch die Preisspanne ist enorm. Standard-Batterien, die für einen Massenmarkt produ- ziert werden, liefert der chinesische Zwischenhändler auch direkt für kleines Geld ins Haus. Dass sich auf seiner Internetseite ein Reisemobil finden sollte, welches suggerieren soll, dass genau er die richtige Adresse ist, hat er meistens auch schon verstanden. Das reicht aber nicht, denn welche Qualität die verwendeten Zellen haben und ob diese vor dem Einbau selektiert werden, das darf bezweifelt werden. Auch das integrierte BMS, das die einzelnen Zellblöcke überwacht und für Ladungsausgleich und Sicherheit zuständig ist, muss angepasst sein. Wenn unselektierte Zellen und ein einfacher Ladeausgleich in der BMS verbaut sind, kommt es sehr schnell zu Spannungssprüngen im Abregelbereich, da das System nur arbeitet, wenn die Batterie bereits fast vollständig geladen ist. Das Ganze ist zwar technisch einfach und kostengünstig zu realisieren, aber bis die letzte Zelle ausbalanciert ist entsteht unnötig Wärme und viele Zellen befinden sich viel zu lange im oberen Spannungsbereich. Beide Zustände führen laut Zellhersteller zu einem frühzeitigen Kapazitätsverlust der vermieden werden sollte.

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